Diese Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, Wolfgang Amadeus Mozart, 1756 in
Salzburg geboren, wurde 35 Jahre alt. Er hatte sechs Geschwister, außer seiner Schwester Anna,
die als Nannerl in die Literatur einging, starben alle im Kindesalter. Von seinen eigenen sechs
Kindern erreichten nur zwei Söhne das Erwachsenenalter. Neugeborene, die heute das Licht der Welt in
Mitteleuropa erblicken, dürfen damit rechnen, dass sie wahrscheinlich deutlich mehr als 80 Jahre werden.
Was hat sich in dieser relativ kurzen Zeit in der Medizin verändert? Der medizinische Fortschritt
hat vieles drastisch gewandelt und dies sind zahlreiche separate Entwicklungen. Medizinische
Technologien, wie beispielsweise die Chirurgie unter Narkose, stehen in den reichen Industrienationen
im Prinzip heute jedem zur Verfügung. Medizintechnik schafft neue Diagnostik, die molekulare Medizin
die man früher manchmal auch als Gentechnik bezeichnet, hat neue Diagnostika und Medikamente
gegen Infektionskrankheiten geschaffen, gegen Stoffwechselkrankheiten, Herz-Kreislaufkrankheiten
und gegen Trebs. Die moderne Perinatalmedizin, die Medizin zugunsten der Neugeborenen, schlägt enorm
zu Buche in Bezug auf den Durchschnitt in der Lebenserwartung. Die Kenntnis pathogenetischer Zusammenhänge
ermöglicht eine gesündere Lebensweise. Nachdem die Tabakindustrie über viele Jahrzehnte riesige
Milliardenbeträge aufwandte, um Jugendliche zur Sucht zu verführen, weiß heute jeder,
das Rauchen tötet. Und deshalb ist sogar dies heutzutage zwischenzeitlich rückläufig.
Infektionskrankheiten durch Bakterien, Viren und Protozonen, wie den Malariaerreger beispielsweise,
standen immer an erster Stelle in der Statistik der Todesursachen. Und weltweit gilt dies auch
heute noch, dass mehr Menschen an Infektionskrankheiten versterben als an Krebs- oder Herz-Kreislaufkrankheiten,
wenn wir die dritte Welt einbeziehen in unsere Statistik. Die entscheidenden Säulen der Bekämpfung
von Viruskrankheiten sind einerseits die Therapie mit Antibiotisies und antiviralen Substanzen,
und andererseits die Prävention. Und Prävention bedeutet Impfung gegen Bakterien und Viren.
Impfungen sind im Prinzip äußerst wirksam, wenn man sie anwendet. Wenn man sie nicht anwendet,
können sie nicht schützen. Denken Sie nur an die Fälle von Masern, die im Augenblick in Firt
aufgetreten sind, die einzig und allein dadurch bedingt sind, dass die Masernimpfung nicht konsequent
durchgeführt worden ist. Impfungen können Virusinfektionen komplett verhindern, sogar
noch mehr. Sie können sogar Viren eliminieren, gewissermaßen vom Erdboden zum Verschwinden bringen.
Und das überzeugende Beispiel hierfür sind die Pocken. Der letzte Fall von Pocken auf der Welt
war im Jahr 1978. Mit einem relativ einfachen Impfprogramm und einer uralten Impfung, die heute
schon mehr als 200 Jahre in ihrer Entwicklung zurückliegt, war es möglich, diese Geisel der
Menschheit von der Erdoberfläche zum Verschwinden zu bringen. Hier sehen Sie, wie Pockenviren sich
im Elektronenmikroskop darstellen. Es sind so manchmal quadrförmige Strukturen. Es sind relativ
große Viren, die DNA als genetisches Material enthalten. Diese Pockenviren, die die Krankheit
Pocken verursachen, verursachen immer dann ein schweres Krankheitsbild, wenn sie auf den Menschen
übertragen wurden. Folglich konnte man sie immer erkennen. Sie konnten sich nicht durch die
Bevölkerung hindurch schleichen. Sie haben sich immer manifestiert. Und das hat es ermöglicht,
diese Krankheit dingfest zu machen und durch eine breit angelegte Impfaktion diese Viren von der
Erdoberfläche zum Verschwinden zu bringen. Und wenn man sich einmal überlegt, wie der Aufwand für
diese weltweite Pockenimpfung war, finanziell gesehen 300 Millionen US-Dollar. Das ist ein
Dringgeld, wenn Sie das vergleichen mit dem, was man braucht, um ein kleines europäisches Land vom
Bankrott zu retten. Die Relation ist doch beeindruckend. Oder auch nur die Mondlandung, die nicht ganz so
billig war. Man kann so etwa über den Daumen peilen, dass die Pockeneradikation, das Verschwindenlassen
der Pocken durch eine uralte Impfung durch etwa die Jänner vor mehr als 200 Jahren entwickelt,
ausgereicht hat, um eine Geisel der Menschheit zum Verschwinden zu bringen. Überzeugender kann es
kaum sein, dass ein Impfprogramm sich lohnt. Das nächste Virus, bei dem man das Ziel entwickelt
hat, die Ausrottung, die Elimination dieser Viren zu verfolgen, ist das Virus der Polyomyelitis oder
spinalen Kinderlähmung. Das Virus der Kinderlähmung. Was ist die Kinderlähmung? Es ist eine virusbedingte
Entzündung im Rückenmark. Und zwar in der sogenannten grauen Substanz des Rückenmarks. Und daher kommt
der Name Polyos aus dem Griechischen für grau in der grauen Substanz des Rückenmarks. Und dort sind
Presenters
Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:29:52 Min
Aufnahmedatum
2011-07-21
Hochgeladen am
2011-11-28 14:48:08
Sprache
de-DE
Innerhalb des zurückliegenden Jahrhunderts hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung in Mitteleuropa mehr als verdoppelt. Die erfolgreiche Bekämpfung von Infektionskrankheiten durch Bakterien und Viren hat hierzu wesentlich beigetragen. Die effektivste Form der Prävention von Viruskrankheiten besteht in der konsequenten Immunisierung durch Impfungen. Entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut gibt es ein Standard-Impfprogramm, zu dem die Prävention von spinaler Kinderlähmung, von Masern, Mumps und Röteln, von Grippe, Hepatitis B und Windpocken gehört. Ferner gibt es beruflich veranlasste Impfungen, Impfungen vor Reisen in Risikogebiete, Indikationsimpfungen aus spezifischen medizinischen Gründen, notwendige Auffrisch-Imfpungen und Impfung nach Exposition durch gefährliche Erreger. Durch Impfprogramme können Viruskrankheiten ausgerottet werden. So verschwanden die Pocken im Jahr 1978 nach einem konsequenten weltweiten Impfprogramm. Die nächste Gruppe von Viren, die durch Impfung ausgerottet werden wird, sind die Erreger der Poliomyelitis (spinalen Kinderlähmung). Auch wenn das weltweite Impfprogramm unter Anleitung der Weltgesundheits-Organisation wegen politischer und religiöser Vorurteile zunächst aufgehalten wurde, dürften in wenigen Jahren die Viren gänzlich verschwunden sein. Entscheidend bleibt, dass bis zum endgültigen Erfolg mit den Bemühungen nicht nachgelassen wird. Eindrucksvolle Erfolge konnten in der Bekämpfung der Hepatitis B durch einen rekombinanten (gentechnisch hergestellten) Impfstoff erreicht werden. Die Erkrankung ist zwischenzeitlich in Deutschland selten geworden. Da Hepatitis B-Virus ein entscheidender Risikofaktor für Leberzell-Krebs ist, konnte auf diesem Weg der Leberzell-Krebs weltweit zurückgedrängt werden. Ein besonders erfolgreiches Programm zeichnet sich mit der Entwicklung von Papillomvirus-Impfstoffen ab. Zu Beginn der 1970er Jahre entwickelte Prof. Harald zur Hausen am Virologischen Institut in Erlangen erstmals die Idee, dass Papillomviren Ursache des Gebärmutterhals-Krebses und einer Reihe von weiteren genitalen Tumoren sind. In den Folgejahren konnte er dies experimentell belegen, und hierfür erhielt er 2008 den Nobelpreis für Medizin. Die zwischenzeitlich weltweit angewandten Impfstoffe gegen Papillomviren sind die beste Waffe in der Bekämpfung dieser verbreiteten Tumorkrankheiten. Immerhin gibt es auch Bereiche, in denen bislangkein Impfstoff entwickelt werden konnte. Hierzu zählen vor allem die menschlichen Immundefizienzviren, die Erreger von AIDS. Aufgrund inhärenter biologischer Probleme scheinen alle Versuche, mit konventionellen Methoden AIDS-Impfstoffe zu entwickeln, nicht von Erfolg begleitet. Auch dieses Beispiel zeigt, dass langfristig nur breit angelegte Grundlagenforschung in der Virologie die gewünschten Erfolge zeitigen kann.